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12. März 2002

Problemfelder für die Benutzbarkeit von Homepages

Verkehrs-Zeichen
von Andreas Krisch und Helmut Wollmersdorfer (VIBE!AT)

präsentiert in der Sitzung des Beirates für Internet und Neue Medien am 12.03.2002

Am 11. Februar 2002 hat der Verein für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE!AT) einen Benutzbarkeitstest bezüglich der Internetauftritte der österreichischen Ministerien und anderer öffentlicher Stellen durchgeführt [1]. Als Testkriterien wurden die Richtlinien der Web Accessibility Initiative (WAI) [2] des World Wide Web Consortiums bezüglich der Konformität Stufe A herangezogen. Weiters wurde auf sicherheitsbewusste Browsereinstellungen (Benutzbarkeit ohne JavaScript und Cookies) Rücksicht genommen.

In diesem Artikel wollen wir eingangs auf die Bedürfnisse sehbehinderter und blinder Benutzer eingehen und deren "Strategie" der Webnutzung näher erläutern. In weiterer Folge werden wir dann auf die bei unserem Benutzbarkeitstest festgestellten Problemfelder eingehen und diese anhand von konkreten Beispielen näher erläutern. Auf die detaillierten Ergebnisse bezüglich der einzelnen Homepages soll in diesem Artikel nicht näher eingegangen werden. Diese sind unter [1] abrufbar. Dennoch sei an dieser Stelle ausdrücklich auf die prompte positive Reaktion des BM:BWK hingewiesen. Innerhalb nur weniger Tage konnte dort eine gut benutzbare Version der Homepage veröffentlicht werden (sh. [3]).

Webnutzung durch sehbehinderte und blinde Menschen

Die Benutzung des World Wide Web zählt bereits für viele Menschen in Österreich zu den selbstverständlichen Tätigkeiten des täglichen Lebens wie etwa das Lesen von Tageszeitungen oder die Nutzung von Medien wie Radio und Fernsehen. Das WWW ist zwar aus vielen Bereichen - insbesondere auch der Wirtschaft - nicht mehr wegzudenken jedoch hat es wohl für keine andere Benutzergruppe eine derart große Bedeutung wie für sehbehinderte und blinde Menschen. Diesen eröffnet das Web eine Vielzahl von Informationsquellen und Interaktionsmöglichkeiten, die ihnen bisher verschlossen blieben. Ein Beispiel dafür ist das Ausfüllen von Formularen, das blinden Menschen bisher nur durch die Hilfe sehender Menschen möglich war.

Sehbehinderte und blinde Menschen sind für die Nutzung des WWW allerdings auf eigene Werkzeuge angewiesen, deren Einschränkungen Sehenden oft nicht bekannt sind. Zur Darstellung von Bildschirminhalten benutzen Blinde sogenannte Braille-Zeilen.

Braille-Zeile
(Braille-Zeile, Quelle: http://schulen.eduhi.at/)

Diese können üblicherweise 40 - 80 Zeichen darstellen, die mit dem Finger ertastet werden müssen. Zum Vergleich: Der Text in der folgenden Darstellung des Lynx-Browsers umfasst 132 Zeichen.

132 Zeichen in Lynx

Ein sofortiger Überblick über die Inhalte einer Homepage ist mit einer so eingeschränkten Darstellungsmöglichkeit nicht gegeben. Deshalb verschaffen sich Blinde zuallererst einen Überblick über eine Seite indem sie mit ihrem Browser von einem Link zum nächsten springen. Dies wird durch die Browser dadurch unterstützt, dass sie den Fokus gleich von Beginn an auf den ersten Link auf einer Seite legen. Erst im Anschluss daran wird der eigentliche Text gelesen.

Die Probleme sehbehinderter Menschen sind anderer Natur. Ihnen ist es an sich möglich sich einen Überblick über eine Seite zu verschaffen, dies allerdings nur, wenn die verwendeten Farben der Seite einen ausreichenden Kontrast bieten und die Schrift durch den eigenen Browser größer dargestellt werden kann. Hier kommt es oft zu Problemen mit Cascading Style Sheets, da Homepages oftmals mit deaktivierten Style Sheets nicht mehr dargestellt werden können.

Generelle Problemfelder bei den ministeriellen Websites

Im Rahmen unseres Benutzbarkeitstestes haben wir zur Darstellung der Webseiten den Textbrowser Lynx [4] verwendet. Die Abbildungen in diesem Abschnitt zeigen die Seiten daher in der Darstellungsform dieses Browsers. Es sollte hierbei aber nicht vergessen werden, dass blinden Benutzern immer nur 40 - 80 Zeichen - also wenig mehr als 1 Zeile in den Abbildungen - zur Verfügung stehen.

Frames

Prinzipiell betrachtet stellen Frames kein großes Problem für die Benutzbarkeit einer Seite dar sofern einige wesentliche Punkte beachtet werden. Die einzelnen Frames müssen mit aussagekräftigen Namen versehen werden, da sonst die Navigation zum Ratespiel verkommt.

Frame-Bezeichnungen sollten aussagekräftig sein

Zusätzlich sollte ein Alternativtext angeboten werden, der in Browsern ohne Frame-Funktion angezeigt wird, einen möglichst guten Überblick über die Inhalte der Homepage bietet und - sofern vorhanden - einen Link zu einer framelosen Version der Homepage anbietet.

Alternativtexte sollten den Inhalt der Homepage beschreiben

Die Anzahl der verwendeten Frames sollte sich in Grenzen halten, da sonst sehr schnell die Übersichtlichkeit verloren geht. Die gleichzeitige Aktualisierung von Frames beim Aufruf eines Links führt bei einem textbasierten Browser zu Informationsverlusten, da es nicht möglich ist zwei oder mehr Frames gleichzeitig darzustellen.

Alternativtexte bei Grafiken

Grafiken stellen für Blinde und sehbehinderte Benutzer ebenso wenig ein Problem dar wie für Textbrowser. Sie werden einfach nicht dargestellt. Stattdessen werden die angegebenen Alternativtexte angezeigt, die den Inhalt des Bildes oder der Grafik möglichst gut beschreiben sollen.

Alternativtexte sollten die Inhalte der Grafiken beschreiben

Werden Grafiken zur Darstellung von Links eingesetzt, ist eine aussagekräftige Bezeichnung umso wichtiger. Sogenannte Imagemaps sind für blinde Menschen nicht zugänglich weshalb zumindest noch eine weitere Navigationsmöglichkeit angeboten werden soll. Obige Seite sieht mit einem grafischen Browser folgendermaßen aus:

Bei Grafiken, die zur Darstellung von Links benutzt werden, sind Alternativtexte unerlässlich

Tabellen

Tabellen stellen ein besonderes Problem dar, da textbasierte Browser keine Möglichkeit haben, die logische Struktur derselben zu erkennen. Aus diesem Grund werden die Spalten zeilenweise untereinander ausgegeben. Bei einem mehrspaltigen Text ist dies nicht problematisch, da die Spalten ohnehin in dieser Reihenfolge gelesen werden sollen, bei komplexeren Inhalten geht die Aussagekraft jedoch völlig verloren.

Die folgende Darstellung des Lynx-Browsers zeigt einen Bruchteil der Tabelle. Jede Zeile stellt hier den Inhalt eines Tabellenfeldes dar. Diese Felder werden zeilenweise ausgegeben. In der darauffolgenden Darstellung des grafischen Browsers sind die mit Lynx dargestellten Felder durch die Markierung hervorgehoben.

Tabellenfelder werden in textbasierten Browsern zeilenweise dargestellt

grafische Darstellung der obigen Felder

Aktive Inhalte (Flash, JavaScript, Cookies)

Aktive Inhalte von Webseiten stellen für Textbrowser ein generelles Problem dar, da diese - wie im Falle von Flash - rein optische Effekte bewirken oder von textbasierten Browsern einfach nicht unterstützt werden.

Wenn Flash oder andere Animationstechniken zur Anwendung kommen, ist daher jedenfalls eine alternative Darstellungsform notwendig um die angebotenen Inhalte auch blinden Benutzern zur Verfügung zu stellen. Im Falle von JavaScript sollte eine Verwendung der Seiten jedenfalls auch möglich sein, wenn Benutzer JavaScript in ihrem Browser deaktiviert haben. Diese Scriptsprache ermöglicht zahlreiche Angriffe [5, 6] auf den Computer des Benutzers, weshalb eine nicht unbedeutende Anzahl von Nutzern dazu übergegangen ist, JavaScript generell zu deaktivieren.

Die Verwendung von Cookies ist vor allem dadurch in Verruf geraten, weil sie oftmals dazu verwendet werden, um das Verhalten von Benutzern ohne deren Einwilligung zu protokollieren und auszuwerten. Diese Auswertung ist nur so lange anonym, solange der Benutzer seinen Namen nicht preisgibt. Da ein und dasselbe Cookie aber auch oft über mehrere Homepages hinweg verwendet wird (beispielsweise bei Werbebannern) kann die einmalige Eingabe des Namens in ein Bestellformular dazu führen, dass aus dem bisher anonymen Benutzerprofil ein personenbezogenes wird. Aus diesem Grund verweigern viele Benutzer die Annahme von Cookies. Webseiten öffentlicher Stellen sollten auf die Privatsphäre ihrer Nutzer Rücksicht nehmen und auf den Einsatz von Cookies verzichten.

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Benutzbarkeit von Webseiten - zumindest soweit es die Stufe A der WAI-Richtlinien betrifft - sehr stark von relativ einfach einzuhaltenden Designentscheidungen abhängig ist. Sehenden Seitengestaltern fehlt es jedoch sehr häufig an einem Bewusstsein für die Schwierigkeiten, mit denen sehbehinderte und blinde Menschen konfrontiert sind und an der Kenntnis der Hilfsmittel, die diese Benutzer einsetzen müssen.

Die Entschließung des Europäischen Rates zur Umsetzung der WAI-Richtlinien stellt mit Sicherheit einen wichtigen Schritt für die allgemeine Benutzbarkeit von Webseiten dar. Hier sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Einhaltung der Richtlinien von dafür geschulten und erfahrenen Benutzern unterstützt und überwacht wird. Insbesondere wäre hier auf eine Einbindung von sehbehinderten und blinden Menschen zu achten, da diese wohl am besten einschätzen können wie es um die Benutzbarkeit einer Homepage bestellt ist.

Aus diesem Grund schlagen wir vor eine Koordinationsstelle für die Evaluierung der Umsetzungsaktivitäten einzurichten, die sehbehinderte und blinde ebenso wie sehende Benutzer in die Evaluierungstätigkeit mit einbezieht. Eine solche Koordinationsstelle könnte beispielsweise am Bundes-Blindenerziehungsinstitut (BBI) [7] angesiedelt werden.

Kontakt

Verein für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE!AT)
<http://www.vibe.at/> <info@vibe.at>
{Andreas.Krisch | Helmut.Wollmersdorfer}@vibe.at

Über VIBE!AT:

Der "Verein für Internet-Benutzer Österreichs" hat sich zur Aufgabe gemacht zu einem mündigen, verantwortungsvollen und selbstbestimmten Umgang mit dem Medium Internet zu ermuntern. Gleichzeitig will er ein öffentliches Bewusstsein schaffen, das jegliche Versuche diese Freiheiten übermäßig zu beschränken erkennt und verurteilt. Ein aktives Vorgehen gegen derartige Versuche ist für VIBE!AT daher selbstverständlich.

Seit der Gründung im Frühjahr 1999 war VIBE!AT unter anderem an der Durchsetzung des Spam-Verbotes in Österreich und der alljährlichen Verleihung der Big Brother Awards beteiligt und wurde gegen Pläne aktiv, welche eine Kostenpflicht beim Rechtsinformationssystem (RIS) vorsahen.

VIBE!AT ist Mitglied im weltweiten Dachverband "Global Internet Liberty Campaign" (GILC) und Tagungsteilnehmer des Internetbeirats. Ein Gründungsmitglied von VIBE!AT hat als Vertreter der Internetbenutzer einen Sitz im 7-köpfigen Domainbeirat.

Referenzen
Weiterführende Informationen
connected by Silver Server Member of GILC European Digital Rights Big Brother Awards Austria
http://www.vibe.at/aktionen/200203/usability_12mar2002.html
Anfragen und Kommentare an: info@vibe.at
zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 10:49:32 CEST