Offener Brief  im Namen der österreichischen Internet-Benutzer

an

Herrn
MEP Dr. Hubert Pirker
<hpirker@europarl.eu.int>

Cc: "Mag. Philipp M. Schulmeister" <pschulmeister@europarl.eu.int>,
"Ausschuss_für_die_Freiheiten_und_Rechte_der_Bürger_Justiz_und_innere_Angelegenheiten" <libe-press@europarl.eu.int>


5.10.2001  

Massen-E-Mails: Opt-In einzig gangbarer Weg, Spam verärgert Verbraucher

 

Sehr geehrter Herr Dr. Pirker,

VIBE!AT, der Verein für Internet-Benutzer Österreichs, ersucht Sie, Ihre Haltung bezüglich unverlangter Massen-E-Mail (Spam) zu überdenken.

Einer Aussendung des ÖVP-Pressedienstes vom 6. September 2001 ist zu entnehmen, dass Sie der Ansicht sind, Konsumenten hätten durch eine "Beibehaltung des Opt-Out-System" bei E-Mail-Werbung die Möglichkeit, sich vor unerwünschter Werbung zu schützen. Wir erlauben uns, Sie darauf hinzuweisen, dass in Österreich das Opt-In-System gesetzlich verankert ist (§101 TKG). Diese strikte Regelung wurde von allen (!) Parlamentsparteien mitgetragen, und ist insbesondere auch auf Betreiben der ISPA, des Verbandes der Internet-Provider in Österreich, zustande gekommen. Wir ersuchen Sie daher mit Nachdruck, die Interessen der österreichischen Konsumenten und Unternehmen nicht leichtfertig zugunsten fragwürdiger Argumente der Werbewirtschaft aufs Spiel zu setzen und gegen ein Opt-Out-System auf europäischer Ebene zu stimmen.

VIBE!AT ist - wie auch andere Interessensvertretungen und damit befaßte Institutionen - der Ansicht, dass eine Opt-Out-Lösung auf der Empfängerseite von Massen-E-Mails (Konsumenten und Unternehmen) einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursacht. Benutzer reagieren fast schon aggressiv auf diese Art der elektronischen Belästigung, und auch der Verband der Deutschen Internetwirtschaft (sic!) findet starke Worte ("wie die Pest") gegen unerwünschte Massen-E-Mails:

http://www.eco.de/presse/mitteilungen/2001/01-09-28b_de.htm

Die Verwendung von E-Mail setzt, im Gegensatz zur herkömmlichen Post, eine Beteiligung des Empfängers am Kommunikationsprozess voraus. Für die meisten Konsumenten, wie auch Unternehmen, ist der Empfang von E-Mail mit Kosten (Telekommunikation, Zeit (!), Personalkosten) verbunden.

Der Versand von Massen-E-Mails zu Werbezwecken bedeutet daher eine unserer Ansicht nach unzulässige Verschiebung der Werbekosten vom Absender auf den Empfänger. Dies kann keinesfalls im Interesse der Konsumenten bzw. Unternehmen sein und würde einer postalischen Massensendung entsprechen, bei der die Empfänger die Gebühren übernehmen.

Siehe dazu auch

"Postgebühr beim Empfänger einheben"
http://www.telekom-presse.at/news/meinung/index_40258.html

sowie

"Über 90 Prozent aller Konsumenten lehnen Werbemails ab"
http://www.pressetext.com/open.php?pte=010928052&chan=md

Ein Opt-Out-System ist deswegen keine geeignete Lösung, weil die Anzahl der Firmen, die unangeforderte Massensendungen verschicken, rapide zunimmt. Ein zentrales Opt-Out-Register (Robinson-Liste) wäre aufgrund der exorbitanten Größenordnung nicht administrierbar, ganz abgesehen von technischen und finanziellen Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines solchen Registers. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass solche Listen nur als Quellen für gültige, funktionierende E-Mail-Adressen mißbraucht werden und das Gegenteil dessen bewirken, wofür sie eigentlich gedacht sind.

Siehe auch

http://www.euro.cauce.org/en/manifesto.html
http://www.euro.cauce.org/en/optinvsoptout.html

Unternehmen haben ungeachtet eines Verbotes von unverlangten Massen-E-Mails jederzeit die Möglichkeit, ihre Angebote im World Wide Web zu präsentieren und Kunden so die Möglichkeit zu geben, Informationen entweder bei Bedarf abzurufen oder zu abonnieren (Opt-In). Zudem hat Opt-In den Vorteil, dass die angeschriebenen Empfänger auch tatsächlich potenzielle Interessenten der Werbebotschaft sind. Die Treffsicherheit ist daher bei Opt-In wesentlich höher. Dies ist unseres Erachtens nach der einzige gangbare Weg, bei dem sowohl die berechtigten Interessen der Wirtschaft berücksichtigt werden, als auch die Empfänger, seien sie nun Konsumenten oder Unternehmen, vor unerwünschter Werbung geschützt bleiben.

Werbetreibende dürfen beim sogenannten Permission Marketing davon ausgehen, dass ihre Botschaften beim potentiellen Kunden positiv aufgenommen werden und damit das mühsam (und kostenintensiv) aufgebaute gute Image eines Unternehmens beim Verbraucher nicht leichtfertig verspielt wird.

Eine Empfehlung der Internet Engineering Task Force (IETF) vom April 2001 bestätigt diese Haltung:

"How to Advertise Responsibly Using E-Mail and Newsgroups"
http://www.ietf.org/rfc/rfc3098.txt

Auch die Rundfunk & Telekom Regulierungs-GmbH spricht sich aus den erwähnten Gründen gegen Opt-Out aus:

http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/XXI/ME/his/002/ME0023214.html

Wir möchten Sie in diesem Zusammenhang nochmals auf die bisherige Haltung des österreichischen Gesetzgebers hinweisen, der unverlangte Werbe- bzw. Massensendungen eindeutig abgelehnt hat:

Par. 101 TKG:
http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/XX/I/texte/020/I02064_.html

"Die Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken bedarf der vorherigen – jederzeit widerruflichen – Zustimmung des Empfängers."

http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/XX/NRSP/NRSP_181/181_094.html

Wie bereits erwähnt, wurde der hier erwähnte Antrag von allen fünf damals im Parlament vertretenen Parteien, einschließlich Ihrer Fraktion, unterstützt.

Die Grundlagen für den hier diskutierten Passus im TKG haben sich nicht geändert, und wir sind der festen Überzeugung, dass sowohl Konsumenten, als auch Unternehmer vor unerwünschten Werbe- bzw. Massen-E-Mails geschützt werden müssen.

Wir ersuchen Sie daher mit Nachdruck, sich im Sinne der österreichischen Internet-Benutzer für eine Opt-In- und gegen eine Opt-Out-Variante bei E-Mail-Werbung einzusetzen!

 

Mit freundlichen Grüßen

Alexander List

Für VIBE!AT
(info@vibe.at)

 

 

 

 

 

PS:   Sie finden diesen offenen Brief auch unter https://www.vibe.at/. Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung Ihrer Antwort setzen wir voraus.

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http://www.vibe.at/aktionen/200110/offenerbriefpirker.html
Anfragen und Kommentare an: info@vibe.at
zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 10:34:50 CEST