GILC

Erklärung von Mitgliedern der »Global Internet Liberty Campaign« zum Abkommen des Europarats zu Cyber-Crime Version 24.2 

12. Dezember 2000 

Die unterzeichneten Mitglieder* der »Global Internet Liberty Campaign« (einer Koalition von weltweit mehr als 50 Bürgerrechtsgruppen) unterstützen die folgende Petition:

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S.g. Herr Generalsekretär Walter Schwimmer, 
S.g. Expertenkomitee für 'Cyber-Crime' im Europarat, 

Am 18. Oktober 2000 schrieben wir im Namen eines breiten Spektrums von Bürgerrechts-Organisationen einen Brief, um unseren Einspruch gegen die vorgeschlagene Konvention zu 'Cyber-Crime' kundzutun. In unserem Schreiben brachten wir unsere Ablehnung gegenüber jene Passagen zum Ausdruck, welche die Kriminalisierung technischer Hilfmittel, die Haftung für Inhalte Dritter, Sanktionen zum Thema Copyright, Grenzen überschreitende rechtliche Hilfestellung sowie vermehrte Befugnisse für die Ermittler betrafen. Wir argumentierten, dass die Entwurfsversion 22 der Konvention zwar die Interessen von Polizei und anderen Behörden berücksichtigte, nicht aber deren Verantwortlichkeit. Die daraus resultierende Missachtung der Bürgerrechte war erschreckend. 

Zu unserer Bestürzung und Beunruhigung ist diese Konvention weiterhin ein Dokument, das die Rechte des Einzelnen gefährdet, während es den Polizeibehörden erweiterte Befugnisse einräumt, den Rechtsschutz über Grenzen hinweg gleichmäßig nach unten nivelliert und dabei elementare Prinzipien des Datenschutzes missachtet. 

Obwohl in Version 24-2 einige Änderungen statt fanden, können wir mit dem Inhalt der Konvention keineswegs zufrieden sein. Das Konventions-Subkomitee hat unserem vorigen Brief zwar Beachtung geschenkt, aber wir bleiben dabei, dass der Schutz persönlicher Rechte nicht angemessen gewürdigt wurde. Wir stellen die Rechtsgültigkeit eines Prozesses in Frage, der immer noch geheim und hinter geschlossenen Türen abläuft. Mit diesem neuerlichen Schreiben folgen wir unseren früher geäußerten Vorbehalten, sprechen einige der Änderungen an und möchten mehr Licht auf Details dieser Bedenken werfen. 

Ausnahmen verweisen auf ein größeres Problem 

Ein thematischer Wandel im vorliegenden Entwurf der Konvention ist die zunehmende Zahl an Ausnahmen und Einsprüchen. Obwohl diese Ausnahmen immer noch auf schwachen Füßen stehen, sieht es ganz danach aus, als wüchsen auch innerhalb des Europarats die Bedenken, was die in der Konvention erteilten Befugnisse betrifft. 

Empfehlungen zu den Ausnahmen  Schließlich fordern wir, dass der Konventionsentwurf den internationalen Instrumentarien zum Schutz der Menschenrechte entsprechen muss:  Einfluß auf Entwicklung und Verteilung 

Wir stellen fest, dass eine Klausel betreffend Nutzung und Entwicklung der Informationstechnologien in der Präambel hinzu gekommen ist. Wir sprechen uns gegen die Schaffung einer Situation aus, in der angemessene Technologien zur Authentifizierung zu Gunsten von Technologien der vollen Überwachbarkeit fallen gelassen werden. Wir empfehlen, dass diese Klausel gestrichen wird. 

Ermächtigung zum Eindringen 

Wir betonen erneut unsere Ablehnung des Abfangens und Speicherns von Daten ohne ausreichende gesetzliche Auflage. 

Empfehlungen betreffend Ermächtigungen 

Bei immer weitreichenderen Befugnissen muss die Konvention auch eine Obergrenze für Ermittlungstechniken festlegen, die allgemein akzeptabel ist; ungeregelte Daten-Zugriffe und Data-Warehousing kommen einem Frontalangriff auf die Bürgerrechte gleich. 

Zugriff ohne Berechtigung 

Es wurde festgestellt, dass die Unterzeichnung der Konvention zu 'Cyber-Crime' auch Nicht-Mitgliedern des Europarats offen steht. Wir hoffen allerdings, dass jeder Staat, der zur Unterzeichnung dieser Erklärung eingeladen worden ist, den Menschenrechten und demokratischen Grundsätzen ausreichend Rechnung trägt. Insbesondere dann, wenn solche Staaten nicht zu den Unterzeichnern der Europäischen Menschenrechtskonvention zählen und diese auch nicht in ihr nationalen Recht integriert haben. In einem solchem Fall würden wir diese Einladung als Angriff auf Integrität dieser Konvention betrachten. Das Mindestmaß wäre daher, dass Artikel 37 ein ausreichende Anforderung sowie eine Bestimmung zur Einhaltung fundamentaler Menschenrechtsstandards vorschreibt, ehe solche Staaten dem Vertragswerk beitreten dürfen. 

Ungebührliche Grenzüberschreitung 

Die Konvention beinhaltet eine Zahl von grenzüberschreiten Zugriffsmöglichkeiten, die insbesondere in zwei Artikeln festgehalten werden. 

Empfehlungen zu Grenzen überschreitenden Maßnahmen 

Wir halten alle Ansätze für Grenzen überschreitende Maßnahmen für schwere Eingriffe in die Souveränität der einzelnen Nationen, besonders was den Schutz der Perönlichkeitsrechte betrifft. 

Wir wollen nicht, dass gegenseitige Hilfestellung zu einem Tauschhandel führt, in denen Verhandlungen nur zu dem Zweck geführt werden, um verstärkte Zugriffsmöglichkeiten bei niedrigstem Schutzniveau zu erreichen. 

Ablehnung auch weiterhin 

Wir bleiben bei unserer ursprünglichen Ablehnung, wie sie in unserem Brief von 18. Oktober 2000 festgehalten ist; bitte betrachten Sie diese Stellungnahme als Ergänzung dazu. 

Wir erwarten noch immer Schritte bezüglich unserer früheren Forderungen nach einer rechtlichen Überprüfung des Eindringens in die Privatsphäre des Individuums. Der Europarat sollte diese Angelegenheiten klar stellen, angesichts der völlig unklaren Bestimmungen zum Zugriff auf Daten ohne vorherige unilateral erfolgte Minimalprüfung der rechtlichen Prozeduren, wie sie in Sektion 2 enthalten sind. Wir sind weiters darüber besorgt, dass die Konvention darin versagt, die Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention zu schützen. Wir empfehlen eine Bezugnahme auf die Universelle Erklärung der Menschenrechte insbesondere auf Artikel 12, der besagt: "Niemand darf in seiner Privatsphäre, Familie, seinem Heim oder Korrespondenz willkürlich verfolgt werden." Auf Grund dieser mangelnden Berücksichtung der Menschenrechte ist die Konvention gegenwärtig untragbar. 

Der Europarat bietet den Staaten die Terminologie und den Impetus zum Vorgehen gegen Cyber-Crime an. Wir hoffen, dass der Europarat diese Gelegenheit nützt, um den Signatarstaaten Terminologie und den Impetus so zu geben, dass sie im Sinne der Rechte des Individuums vorgehen. Daher drängen wir auf explizite Beschränkungen, wie juridische Überprüfung, Sicherheit vor Selbst-Kriminalisierung, Sicherstellung, dass Daten ausschließlich zu einem bestimmten Zweck gesammelt werden dürfen, und dass in allen Fällen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sowie die Einhaltung der Datenschutzprinzipien gewährleistet sind, um nur ein paar zu nennen. 

Wir glauben weiterhin, dass der Entwicklungsprozess dieser Konvention gegen Erfordernisse zur Transparenz verstößt und in Widerspruch zu demokratischen Entscheidungsprozessen steht. Wir hoffen daher, dass der Europarat auch zu diesem späten Zeitpunkt auf Einmahnung der Menschenrechte reagiert, diese einbezieht und auch schützt. 

Wir rufen die Mitgliedsstaaten des Europarats auf, den Vertrag in seiner gegenwärtigen Form nicht zu zu unterzeichnen. Weiters appellieren wir an die Ministerversammlung des Europarats, die Konvention in ihrer gegenwärtig en Form zurückzuweisen, da sie bei der Bekämpfung und Verfolgung von Cyber-Crime keinen entsprechenden Schutz fundamentaler Menschenrechte bietet. 

Schließlich halten die Unterzeichneten Organisationen ihr Angebot aufrecht, den Europarat durch Beistellung von Experten zu unterstützen, um eine bessere Version dieser Konvention herzustellen, die geeignet ist, Computer-Kriminalität nicht nur zu bestrafen sondern auch vorzubeugend zu wirken und dabei die fundamentalen Menschenrechte zu bewahren. 

Gezeichnet,


Fußnoten 

  1. Rede von John Fennel, Mitglied des Vorbereitungskomitees, beim E-PING! Treffen in Brüssel am 5. Dezember 2000.
  2. See: A.C.P.O. and A.C.P.O (S), H.M.Customs & Excise, Security Service, Secret Intelligence Service, And G.C.H.Q., NCIS Submission On Communications Data Retention Law, 21st August 2000.
  3. US Department of Justice, Frequently Asked Questions and Answers About the Council of Europe Convention on Cybercrime (Draft 24REV2) , December 1, 2000. Available at http://www.usdoj.gov/criminal/cybercrime/COEFAQs.htm.

Referenzdokumente 

  1. COE Convention on Cyber-Crime (draft ver 24-2)
    http://conventions.coe.int/treaty/EN/projets/cybercrime24.htm
  2. COE Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms
    http://www.coe.fr/eng/legaltxt/5e.htm
  3. COE Conventions - Background
    http://conventions.coe.int/treaty/EN/cadreintro.htm
  4. Global Internet Liberty Campaign Member Letter on Council of Europe Convention on Cyber-Crime -- October 18, 2000
    http://www.gilc.org/privacy/coe-letter-1000.html
  5. Comments of the Center for Democracy and Technology on the Council of Europe Draft "Convention on Cyber-crime" (Draft No. 24)
    http://www.cdt.org/international/cybercrime/001211cdt.shtml
  6. IAB/IESG Statement on Wassenaar Arrangement
    http://www.iab.org/iab/121898.txt
  7. IETF Policy on Wiretapping (RFC 2804)
    ftp://ftp.isi.edu/in-notes/rfc2804.txt
  8. IRIS Dossier cybercriminalité
    http://www.iris.sgdg.org/actions/cybercrime/
  9. OECD Cryptography Policy Guidelines (1997)
    http://www.oecd.org//dsti/sti/it/secur/prod/e-crypto.htm
  10. OECD Guidelines for the Security of Information Systems (1992)
    http://www.oecd.org//dsti/sti/it/secur/prod/e_secur.htm
  11. Privacy International Cyber-Crime Page
    http://www.privacyinternational.org/issues/cybercrime/
  12. Statement of Concern from Technology Professionals on Proposed COE Convention on Cyber-Crime
    http://www.cerias.purdue.edu/homes/spaf/coe/TREATY_LETTER.html
  13. Universal Declaration of Human Rights
    http://www.un.org/Overview/rights.html
     

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