From: Gerald Pfeifer <Gerald.Pfeifer@vibe.at>
To: Gerhard Laga <gerhard@laga.at>
Date: Sat, 8 Apr 2000 08:51:33 +0200 (CEST)
Subject: Zum Thema Spam (in Österreich)

Sehr geehrter Herr Dr. Laga!

Mit Interesse haben wir Ihre Artikel unter <http://www.laga.at/Doks/spam-kurz.html > und <http://www.laga.at/Doks/spam2000.PDF> gelesen. Wir möchten nun versuchen, einige Punkte aus unserer Sicht zu klären.

Zunächst möchten wir dazu einige generelle Thesen zur Thematik E-Mail und Spam präsentieren, danach auf einige konkrete Punkte in Ihren Artikeln eingehen.

These 1: E-Mails zu Werbezwecken und in Form von Massensendungen sind weder in Österreich verboten noch sehen wir ein Problem darin. Sehr wohl sehen wir, und auch TKG §101, jedoch ein Problem bei unerwünschten Zusendungen, in der Fachsprache als UCE (unsolicited commercial email), also unverlangter kommerzieller E-Mail und UBE (unsolicited bulk email), also unverlangter Massenmail bezeichnet.

Die österreichische Gesetzgebung stellt hier keinen Einzelfall dar, auch in Italien etwa verbietet das Fernabsatzgesetz UCE und in einigen US Bundesstaaten sind ebenfalls Regelungen in diesem Bereich in Vorbereitung. (Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, daß die Novellierung des TKG §101 von allen fünf Parlamentsparteien beantragt und einhellig beschlossen wurde!)

These 2: E-Mail ist von der Kostenstruktur für den Sender das derzeit billigste Kommunikationsmittel. Nachrichten können innerhalb kürzester Zeit an beliebig viele Empfänger zugestellt werden.

Dadurch liegt eine Auswahl ausschließlich solcher Empfänger, die dies wünschen, kaum im (finanziellen) Interesse von Sendern von E-Mails zu Werbezwecken oder Massenmails. Die Kosten für ein sorgfältiges Warten von Addressdatenbanken übersteigen die Streuverluste, die durch das Anmailen einer möglichst großen Zahl von Empfängern entstehen.

Ganz im Gegenteil, auch die zu erwartenden minimalen Rücklaufquoten motivieren erfahrungsgemäß viele Sender dazu, eine maximale Verbreitung ihrer Nachrichten anzustreben -- zu Lasten der Mehrzahl der Empfänger.

These 3: Einige Ansätze gehen in die Richtung, daß derlei unerwünschte Werbe- und Massen-E-Mails einfach vom Empfänger manuell oder mittels spezieller Software gelöscht werden sollen.

Dies ist aus einer Vielzahl von Gründen abzulehnen:

These 4: Andere Ansätze gehen in die Richtung von sogenannten Robinson-Listen, das sind Datenbanken, in die sich einzelne Anwender explizit eintragen müssen, und die von Versenden von Massenmails zum Filtern verwendet werden sollen.

Derartige Filter müßten zentral betrieben werden, da sich andernfalls jeder einzelne wieder zig-fach (oder gar bei jedem Werbenden selbst) abmelden müßte. Ein derartiger zentraler Filter eröffnet aber technisch, datenschutzrechtlich und finanziell (hohe Kosten für den Betrieb und die Wartung) eine ganze Reihe neuer Probleme.

These 5: Zuletzt stehen auch Vorschläge im Raum, die spezielle Kenn- zeichnungen von Werbe- bzw. Massen-E-Mails fordern, allerdings erfüllen auch diese nicht den gewünschten Zweck: Es geht hier etwa nicht um jegliche Werbung an sich sondern um unerbetene Werbung. Derartige Alles-oder-Nichts Ansätze könnten diese Unterscheidung nicht unterstützen, was weder im Sinne der Anwender noch im Sinne von Werbenden sein kann.

These 6: Seit Jahren im Internet erfolgreich praktiziert, stellt Opt-In, wo Interessierte auf Ihren Wunsch hin gezielt beworben und mit Informationen versorgt werden, eine exzellente Alternative zu unerwünschten Zusendungen dar.

Opt-Out, d.h. Systeme, bei denen der einzelne den expliziten Wunsch deponieren muß, derlei unerwünschte Zusendungen nicht zu erhalten, stellt hierzu keine gangbare Alternative dar. Einerseits stellt sich die Frage nach der Wartbarkeit und Finanzierbarkeit derartiger Dienste, andererseits die Frage wie viele dieser Systeme es geben würde, d.h. wie oft der Einzelne hier jeweils sein Desinteresse bekunden müßte.

Opt-In hingegen läßt sich leicht, etwa mit Formularen auf Webseiten oder anzukreuzenden Feldern auf Bestellkarten, in Gästebüchern o.ä. realisieren.

These 7: Generell stellt der Bearbeitungsaufwand durch den oder die Enduser eine signifikante Größe dar. Vor allem unerfahrene Anwender nehmen oft reißerisch gestaltete Werbe-E-Mails oder Massen-E-Mails, die fiktive Sachverhalte schildern, ernst, bzw. fragen bei Dritten (Support,...) rück.

Durch die bereits beschriebene Kostenstruktur ist ohne geeignete Maßnahmen ein weiterhin exponentielles Wachstum bei unerwünschten E-Mails zu erwarten, der Bearbeitungsaufwand würde dadurch ebenfalls exponentiell ansteigen. Das Problem "skaliert schlecht".

These 8: Unerwünschte E-Mails sind ebenso wenig durch den verfassungs- mäßigen Grundsatz von Meinungsfreiheit gedeckt, wie unerwünschte Werbung mittels Fax, telefonische Meinungskundgebungen zu nächtlicher Stunde oder sogenannte "cold call" Telefonwerbung.

Die Meinungsfreiheit ist wahrlich ein wichtiger Punkt, allerdings gilt es hier zwischen der Freiheit zur freien Meinungsäußerung und dem Aufdrängen von Meinungsäußerungen zu unterscheiden (wobei noch äußerst fraglich scheint, inwieweit Werbung etwa besonders schutzwürdig scheint).

Unserer Ansicht nach müßte es eher im Interesse jedes Unternehmens liegen, eine Verärgerung seiner (potentiellen) Kunden durch unseriöse Methoden wie UBE/UCE auszuschließen, unabhängig von der gesetzlichen Lage.

Meinungsfreiheit ist ein allgemein anerkanntes Grundrecht, aber keines, hinter dem alle anderen zurücktreten müssen.

These 9: Bei UBE/UCE verursacht nicht der einzelne Vorfall hohe Kosten und stellt eine große Belästigung dar sondern die Menge vieler kleiner Vorfälle.

Es ist für den einzelnen daher nicht sinnvoll möglich, vor Gericht zu gehen, alleine schon wegen des dadurch enstehenden hohen Aufwands, wogegen eine Anzeige und die Bearbeitung durch eine Behörde ein effizientes Mittel darstellen.

Weiters kann die Behörde, mit Hilfe von Providern oder aufgrund mehrer Anzeigen, wesentlich besser abschätzen, inwieweit es sich etwa um Massenmail handelt, als dies der einzelne Anwender vermag.

Anhand dieser generellen Thesen möchten wir nun kurz zu einigen konkreten Textpassagen in Ihren Artikeln Stellung nehmen:

Die Aussage, daß die Neuregelung des § 101 TKG [keine] einzige E-Mail zu Werbezwecken zuläßt ist falsch.

Ein großer Teil der Internet-User erhält regelmäßig E-Mails zu Werbezwecken, die auch durchaus erwünscht sind. Wir, wie auch der § 101 TKG, wenden uns keinesfalls gegen Werbung per E-mail an sich, bloß gegen unverlangte Zusendungen.

Weiters schreiben Sie, es müsse möglich sein, sachliche Information an ein ausgewähltes internationales Zielpublikum zu senden.

Dies geschieht bereits laufend mittels der bewährten Opt-In Methode, zur vollsten Zufriedenheit der Beworbenen.

Ein wesentlicher Punkt hier ist die Entscheidung zwischen Opt-In, Opt-Out, und Völligem-Ausgeliefert-Sein, wobei ersteres, unserer Meinung nach, auf Dauer die einzig sinnvolle Lösung darstellt:

Jeder Anwender soll für sich entscheiden dürfen, welche Informationen er empfangen (und damit auch bezahlen!) will, und welche nicht.

Opt-Out ist letztlich nicht praktikabel und de facto mit Völligem- Ausgeliefert-Sein gleichzusetzen.

Ihr Vorschlag "Filterung im E-Mail-Programm [...] muß nur verwendet werden" steht in Gegensatz zu unseren praktischen Erfahrungen bzw. gibt es eine Reihe von Argumenten gegen ein derartiges Filtern beim Anwender (siehe These 3 ).

Wir können auch nicht nachvollziehen, wie der § 101 TKG Unternehmen abschreckt, das Internet zu verwenden. Ganz im Gegenteil erwachsen derlei Unternehmen bereits jetzt zusätzliche Kosten und vor allem Bearbeitungsaufwand durch unerwünschte Werbe- und Massen-E-Mails, wie viele von uns aus erster Hand bestätigen können.

Formulierungen wie Darf ein Helpdesk-Mitarbeiter eine E-Mail-Anfrage beantworten sind ausschließlich provokant und wohl kaum im Sinn einer ernstgemeinten Auseinandersetzung mit der vorliegenden Thematik. Eine Antwort auf Anfragen, oder Information an Anwender, die diese explizit angefordert haben (etwa durch ein angekreuztes Feld auf einer Webseite, einem Bestellformular oder einem Gästebuch) stellt sicher keine unangeforderte Nachricht dar.

Generell läßt sich wohl feststellen, daß in Fällen, wo ein Anwender/ Kunde/Mitglied/Gast von sich aus eine entsprechende Verbindung aufgenommen hat, dem Zusenden von Information zugestimmt, oder diese sogar angefordert hat, nicht von UBE/UCE bzw. von einem Verstoß gegen TKG § 101 ausgegangen werden kann und soll.

Im Beispiel mit einem Anwalt, der auf Unterlassung klagt, scheint eine Vermengung von Verwaltungsstrafrecht und bürgerlichem Recht geschehen zu sein, denn die Summe von ATS 500.000 wird in diesem Fall kaum nachweisbar sein, und stellt bloß die höchstmögliche Verwaltungsstrafe dar.

Unter http://www.euro.cauce.org/ finden sich einige interessante Informationen zu diesem Themenbereich an sich (Opt-In vs. Opt-Out, Kosten,...). Wir stehen gerne unter der Mailadresse info@vibe.at für eine Diskussion und mit weiteren Informationen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Gerald Pfeifer (VIBE!AT)


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zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 10:23:08 CEST