26. Juni 2003

Neues Telekommunikationsgesetz weicht Spam-Verbot auf!

no spam
Vergangene Woche beschloss der Ministerrat eine Regierungsvorlage, die das bisher geltende Telekommunikationsgesetz (TKG 1997) nicht wie bisher angenommen lediglich novelliert, sondern komplett durch ein neues TKG 2003 ersetzt.

VIBE!AT hält die geplante Zurücknahme des vorbildlichen Schutzes aller Benutzer vor der "Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken ohne vorherige Zustimmung des Empfängers" (§101 TKG 1997) für bedenklich und drängt auf Nachbesserung.

Der neue §107 TKG 2003 enthält nunmehr lediglich eine auf "Verbraucher im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes" reduzierte Schutzbestimmung, während der Versand von E-Mail- und SMS-Spam an "Unternehmer" freigegeben wird. "Da für den Sender im Voraus nicht ersichtlich ist ob eine Adresse einem Verbraucher oder einem Unternehmer gehört, ist durch §107 TKG 2003 mit einem Ansteigen der Spam-Belästigung für alle Benutzer, Private wie Unternehmer, zu rechnen", so Gerald Pfeifer von VIBE!AT. Auch die Bundesregierung hielt im VfGH-Verfahren zum §101 TKG 1997 (G267/01) eine Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmern für "faktisch kaum durchführbar".

Weiters führt ein Anstieg von E-Mail- und SMS-Spam nicht nur zu einer stärkeren Belästigung und direkten finanziellen Belastung eines jeden Benutzers, sondern auch allgemein zu höheren Kosten der Provider welche indirekt wieder allen Teilnehmern - Verbrauchern wie Unternehmern - weiterverrechnet werden.

Die durch §107 TKG 2003 beabsichtigte Verschlechterung des Schutzes vor E-Mail- und SMS-Spam führt also zu einem volkswirtschaftlichen Schaden ohne einen diesen rechtfertigenden Nutzen erkennen zu lassen.

"Mit dieser Verschlechterung gibt Österreich ohne erkennbare Notwendigkeit oder Nutzen seine Vorreiterrolle und Vorbildwirkung innerhalb der Europäischen Union auf, die es durch den Beschluss des Spam-Verbotes im Jahre 1999 einnehmen konnte", bedauert Albert Köllner von VIBE!AT.

Darüber hinaus birgt die Unterscheidung zwischen Unternehmer und Verbraucher eine Reihe von Problemen in der praktischen Umsetzung: Nicht nur kann aufgrund einer E-Mail-Adresse oder Mobiltelefonnummer nicht unterschieden werden, ob es sich beim Empfänger um einen Unternehmer oder um einen Verbraucher handelt, sondern der Benutzer könnte auch in Abhängigkeit von der Art der Werbung entweder Unternehmer (etwa wenn die Werbung sein Geschäftsfeld betrifft) oder Verbraucher sein. So kann beispielsweise eine Werbesendung eines Buchhändlers an einen Rechtsanwalt je nach Art des beworbenen Produktes an diesen als Unternehmer (z.B. bei einem juristischen Fachbuch) oder als Verbraucher (z.B. Kochbuch) gerichtet sein (Mosing, 2002).

Als Grund für die Schwächung des gesetzlichen Schutzes ist die Umsetzung der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) angeführt. Diese sieht jedoch in Artikel 13 explizit vor, dass auch "die berechtigten Interessen anderer Teilnehmer als natürlicher Personen in Bezug auf unerbetene Nachrichten ausreichend geschützt werden", enthält also keinen Zwang zu einer Aufweichung des derzeitigen Spam-Verbotes.

Richtlinie 2002/58/EG gestattet also nicht nur den Beibehalt des durch §101 TKG 1997 gewährleisteten und bewährten allgemeinen Schutzes vor E-Mail- und SMS-Spam, sondern dies entspräche sogar klar dem in der Richtlinie geforderten Schutz der Interessen aller Teilnehmer.

Ähnlich kommt das von der EU-Kommission kürzlich durchgeführte Konsultationsverfahren zur Richtlinie 2002/58/EG (COCOM03-33) zur Erkenntnis, dass eine Unterscheidung zwischen dem Spam-Versand an natürliche oder juristische Personen eine Vielzahl an Definitions- und Umsetzungsproblemen verursacht.

VIBE!AT fordert daher den bisherigen gesetzlichen Schutz aller Teilnehmer - analog zur Regelung bei unerbetenen Anrufen oder Fax-Nachrichten - beizubehalten und die Rücknahme der in der Regierungsvorlage zum TKG 2003 enthaltenen Aufweichung des Schutzes gegen Spam.

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Seit der Gründung im Frühjahr 1999 war VIBE!AT unter anderem an der Durchsetzung des Spam-Verbotes in Österreich und der alljährlichen Verleihung der Big Brother Awards beteiligt und wurde gegen Pläne aktiv, welche eine Kostenpflicht beim Rechtsinformationssystem (RIS) vorsahen.

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zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 11:12:27 CEST