Eine Informationsgesellschaft für alle

Diskussionsbeitrag des Vereins für Internet-Benutzer Österreichs zur Tagung Perspektiven der Informationsgesellschaft - Technische und gesellschaftliche Entwicklungen am 5. November 2002

Andreas Krisch <andreas.krisch@vibe.at>

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Die Entwicklung und rasante Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) hat in den vergangenen Jahren zu einer Reihe von positiven Entwicklungen geführt. Zu nennen sind hier nicht nur die Möglichkeiten zur einfachen und kostengünstigen weltweiten Kommunikation und zur elektronischen Abwicklung von Geschäften sondern auch die durch diese Technologien verbesserten Rahmenbedingungen für die Informationsbeschaffung und -bereitstellung.

Die weite Verbreitung und Nutzung dieser Möglichkeiten wirft aber auch die Frage danach auf, wie diese neuen Technologien in die bestehenden gesellschaftlichen Gegebenheiten eingefügt werden können und welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um die dadurch hervorgerufenen Veränderungen für eine positive Weiterentwicklung der Gesellschaft zu nutzen.

In manchen Bereichen ist die Gestaltung dieser Rahmenbedingungen bereits in vollem Gange. Eine Auseinandersetzung mit den Visionen der Informationsgesellschaft, wie sie beispielsweise in den Bereichen des Ubiquitous Computing oder der Ambient Intelligence formuliert werden, zeigt jedoch recht deutlich, dass die derzeitigen Gestaltungsmaßnahmen für eine "Welt der intelligenten Alltagsdinge", eine zukünftige Informationsgesellschaft, zu kurz greifen werden.

Vielmehr erscheint es angebracht, Überlegungen dahingehend anzustellen, wie die grundlegenden Werte unserer derzeitigen Gesellschaft in eine moderne Informationsgesellschaft übertragen werden können. Überlegungen, die darauf abzielen die Menschen- und Bürgerrechte unter den neuen Gegebenheiten der Informations- und Kommunikationstechnologien aufrecht zu erhalten und weiter zu stärken.

Diese Überlegungen müssen - um nur einige Bereiche zu nennen - die Frage der Förderung des Vertrauens in die neuen Technologien ebenso behandeln wie die Fragen des Zugangs, des Schutzes der Privatsphäre und der persönlichen Daten sowie der Sicherheit der eingesetzten Technologien. Weiters ist für derartige Überlegungen nicht nur eine nationale sondern jedenfalls eine internationale Perspektive angebracht.

Die Frage des Zuganges betrifft somit nicht nur einen kostengünstigen technischen Zugang zu den Informationstechnologien für alle Bürger sondern muss darüber hinaus ebenso die Bedürfnisse derjenigen Menschen mit berücksichtigen, denen der Umgang mit moderner IKT schwer fällt oder unmöglich ist. Für diese müssen geeignete Schnittstellen zu den bisher eingesetzten Technologien geschaffen und bereitgestellt werden.

Zugang darf in der Informationsgesellschaft aber nicht nur den möglichst allgegenwärtigen technischen Zugang meinen sondern muss darüber hinaus auch den Zugang zu Informationen beinhalten. In einer Gesellschaft die ihre zentrale Ressource, die Information, sogar in ihren Namen aufgenommen hat muss für alle Menschen ein möglichst einfacher und kostengünstiger Zugang zu dieser Ressource ermöglicht werden. Informationsmonopole müssen daher verhindert und Informationen des öffentlichen Sektors frei zugänglich gemacht werden.

Beide erwähnten Arten des Zuganges müssen in der Informationsgesellschaft möglichst vielen Menschen offen stehen. Dies beinhaltet insbesondere auch die Sicherstellung des Zuganges für Menschen in Entwicklungsländern, für die eine Informationsgesellschaft aufgrund der geringeren Ortsgebundenheit besondere Chancen mit sich bringt. Aus dieser Forderung ergibt sich eine Verpflichtung für die Industrienationen die Technologien der Informationsgesellschaft unter solchen Rahmenbedingungen bereit zu stellen, die einen Einsatz derselben auch unter Bedachtnahme auf die finanziellen Bedingungen in Entwicklungsländern ermöglichen. Insbesondere dürfen Entwicklungsländer nicht durch überzogene Patent- oder Lizenzgebühren an der Teilnahme an der Informationsgesellschaft gehindert werden.

Eine grundlegende Voraussetzung für eine Informationsgesellschaft ist weiters das Vertrauen der Menschen in die eingesetzten Technologien und die Maßnahmen die zum Schutz ihrer Privatsphäre und ihrer persönlichen Daten gesetzt werden.

Bezüglich der eingesetzten Technologien erscheint der Einsatz von Open Source Software (OSS) aus mehreren Gründen der vielversprechendere Weg zu sein. Im Gegensatz zu Software, deren Quellen nicht einsehbar sind, bietet OSS den Vorteil, dass der zugrundeliegende Code von mehreren voneinander unabhängigen Stellen geprüft werden kann und dadurch eine geringere Fehlerwahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus ist es damit vom Hersteller unabhängigen Personen und Institutionen möglich, die eingesetzte Software auf Vertrauenswürdigkeit bezüglich des Schutzes der persönlichen Daten zu überprüfen. Weiters kann OSS auch noch weiterentwickelt und vor allem gewartet werden, nachdem der ursprüngliche Hersteller die Betreuung der Software eingestellt hat. Damit entsteht eine größere Unabhängigkeit der Benutzer und eine bessere Sicherung der getätigten Investitionen. Eine derartige Transparenz der Grundpfeiler der Informationsgesellschaft wird sicherlich einen positiven Beitrag zum Vertrauen der Menschen in die Technologie leisten, das unter anderem aber auch davon beeinflusst sein wird, ob plattform- und herstellerunabhängige Standards die Basis für die moderne Kommunikation bilden werden oder nicht.

Das Vertrauen in die Informations- und Kommunikationstechnologien und damit in die Informationsgesellschaft wird aber nicht zuletzt auch davon abhängen, inwieweit es gelingt bestimmte "Funktionalitäten" des täglichen Lebens, die dazu dienen das Grundrecht auf Privatsphäre und den Schutz der persönlichen Daten zu gewährleisten, in diesen Bereich zu übertragen.

Ebenso wie es heute möglich ist, ohne Preisgabe des Namens oder anderer personenbezogener Daten einzukaufen oder Zugang zu Informationen zu erhalten muss dies auch in einer zukünftigen Informationsgesellschaft möglich sein. Der Einkauf in der Buchhandlung an der nächsten Ecke wird dann eben in anonymer oder zumindest pseudonymer Form in der elektronischen Buchhandlung erfolgen, jedenfalls aber ohne direkten Personenbezug möglich sein müssen. Selbiges gilt, in noch weit stärkerem Ausmaß, für den Zugang zu Informationen. Hier vor allem zu Informationen des öffentlichen Sektors, da andernfalls eine besonders starke Bündelung von personenbezogenen Daten erfolgen würde, die in einigen Fällen durchaus sensible Bereiche beträfe.

Die Forderung nach Anonymität und Pseudonymität bezieht sich nicht nur auf den Bereich der Information sondern insbesondere auch auf alle Bereiche der Kommunikation. Hier ist darüber hinaus aber auch noch sicher zu stellen, dass die private Kommunikation vor Einblicken unbeteiligter Dritter geschützt wird. Insbesondere ist darauf zu achten, dass künftige Kommunikationsmittel entsprechende für jedermann einfach zu bedienende Verschlüsselungstechnologien bereithalten, die garantieren, dass lediglich die direkt an der Kommunikation beteiligten auf die Inhalte der Kommunikation zugreifen können.

Trotz einer Erfüllung dieser Forderungen werden in einer Informationsgesellschaft immer noch zahlreiche Datenverarbeitungen bestehen, die personenbezogene oder personenbeziehbare Daten der Menschen verarbeiten. Diese Datenverarbeitungen werden - wenn man wiederum die Visionen des Ubiquitous Computing und der Ambient Intelligence betrachtet - weit mehr und viel genauere Informationen über jeden Einzelnen enthalten als dies derzeit der Fall ist. Dementsprechend müssen die Maßnahmen des Datenschutzes sowohl auf technischer als auch auf rechtlicher Seite an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden und dafür sorgen, dass ein bestmöglicher Schutz dieser Daten gewährleistet wird.

Im Bereich des Datenschutzes und der Sicherung der Privatsphäre nimmt Europa derzeit eine Spitzenposition ein und gilt als internationales Vorbild. Dementsprechend ist eine intensive Förderung des Datenschutzes in Europa nicht nur als eine Frage der Akzeptanz der Informations- und Kommunikationstechnologien und damit der Informationsgesellschaft zu sehen, sondern vielmehr als Wettbewerbsvorteil, den es gilt im Sinne der europäischen Wirtschaft zu nutzen und weiter auszubauen.

Die Entwicklung von Technologien deren Einsatz möglichst wenige personenbezogene oder personenbeziehbare Daten entstehen lässt ist für eine Stärkung des Vertrauens ebenso nötig wie die weitere Verbesserung der Datenschutzgesetze und deren Durchsetzung in der täglichen Praxis.

Die Entwicklungen, die in diesem Bereich innerhalb des letzten Jahres stattgefunden haben, weisen derzeit leider in die genau entgegengesetzte Richtung, wie - um nur ein einziges der unzähligen Beispiele zu nennen - anhand der aktuellen Diskussion um die sogenannte Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten elektronischer Kommunikation unschwer gezeigt werden kann.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass es für eine positive Gestaltung der Informationsgesellschaft unumgänglich sein wird, Lösungen dafür zu finden, wie die Menschen- und Bürgerrechte in einer digitalen Welt der IKT gewährleistet werden können. Die Informationsgesellschaft muss für ihre Akzeptanz ebenso Möglichkeiten zur Teilnahme für alle Menschen - sowohl national als auch international - anbieten, wie sie zur Förderung des Vertrauens besonderes Augenmerk auf die Sicherheit ihrer Technologien und den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten richten muss.

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