9 Fragen zur Politik für die Informationsgesellschaft

Die Antworten der KPÖ

1. Frage: Informationen des öffentlichen Sektors

Welche Position vertreten Sie bezüglich der Veröffentlichung von Informationen des öffentlichen Sektors? Sollten derartige Informationen kostenlos und frei zugänglich sein oder halten Sie diesbezüglich Einschränkungen bzw. Benutzungsgebühren für notwendig? Bezüglich welcher Informationen sehen sie konkreten Handlungsbedarf? Welche Position vertreten Sie konkret bezüglich einer möglichen Einführung einer Benutzungsgebühr für den öffentlichen Zugang zum Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS)? Ist es für Sie denkbar Informationen des öffentlichen Sektors lediglich über private Unternehmen kostenpflichtig zu veröffentlichen?

Freier und unentgeltliche Zugang zu den Informationen des öffentlichen Sektors ist aus mehreren Gründen demokratiepolitisch wichtig:

Die KPÖ tritt daher für eine freien und unentgeltlichen Zugang zu möglichst allen Informationen des öffentlichen Sektors ein. Eine Benutzungsgebühr für diese Systeme lehnen wir entschiedst ab. Darüber hinaus fordern wir jedoch nicht nur einen leichten Zugang zu Informationen des öffentlichen Sektors. Auch große private Konzerne dürfen von der Pflicht, sich in die Karten schauen zu lassen nicht ausgenommen werden. Auch hier hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Einblick in deren Transaktionen.


2. Frage: Speicherung von Verbindungsdaten

Welche Position vertreten Sie bezüglich der anlassunabhängigen Speicherung von Verbindungsdaten der elektronischen Kommunikation (E-Mail, WWW, (Mobil-)Telefonie, Fax, usw.)? Sollte eine derartige Speicherung verpflichtend erfolgen? Wenn ja: Wie lange sollten diese Daten gespeichert werden? Wer sollte die Kosten für diese Speicherung tragen? Welche sonstigen Rahmenbedingungen halten Sie für nötig? Sollten Ihrer Ansicht nach auch Inhaltsdaten der elektronischen Kommunikation gespeichert werden?

Die KPÖ tritt entschieden gegen eine Ausweitung des Überwachungsstaates ein. Anstatt einer Verpflichtung zur Speicherung wäre es eher sinnvoll eine Verpflichtung zur Löschung dieser Daten anzudenken, sobald die Speicherung nicht mehr aus technischen Gründen (z.B.:. Fehlersuche oder Verrechnung der Dienstleistungen) nötig ist. Überwachung darf nur mit Richterlichem Beschluß möglich sein.


3. Frage: Datenzugriff / Hacker

Welche Position vertreten Sie bezüglich der in der vergangenen Legislaturperiode vorgenommenen Änderungen im Militärbefugnisgesetz (jederzeitiger Zugriff auf Benutzerdaten öffentlicher Telekommunikationsdienste) und die durch das Strafrechtsänderungsgesetz eingeführten Bestimmungen bezüglich des Eindringens in Computersysteme? Sollten die darin geregelten Befugnisse und Strafbestimmungen ausgebaut/eingeschränkt werden?

Das Militärbefugnissgesetz ist ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat. Die KPÖ lehnt dies entschieden ab. Überwachung von Bürgern darf nur auf Richterlichen Beschluß hin möglich sein. Daß das Militär in diesem Falle von der Kontrolle durch demokratische Institutionen ausgenommen und zur Bespitzelung der eigenen Bürger eingesetzt wird, finden wir besonders skandalös. Anstatt dem Militär mehr Mittel und Befugnisse zu geben, sollt sich Österreich eher auf friedenspolitische Maßnahmen konzentrieren.

Was die Strafrechsbestimmungen bezüglich des Eindringens in Computersystem betrifft: Wir denken, daß das absolut der falsche Weg ist. Computersysteme werden nicht sicherer, indem man Menschen kriminalisiert. Im Gegenteil: Menschen, die aus Interesse oder von Berufswegen die Sicherheit von Computersystemen prüfen wollen, wird damit ihre Arbeit erschwert, aber echte Hacker wird das ganze kaum abschrecken. Hauptverantwortung für den größten Teil des Schadens, der heutzutage durch unsichere Computersysteme entsteht, tragen Firmen wie Microsoft, die in grob fahrlässiger weise unsichere Systeme entwickeln. An dieser Stelle sollte man am ehesten mit gerichtlicher Verfolgung ansetzten.


4. Frage: Biometrie

Welche Position vertreten Sie bezüglich der flächendeckenden Erfassung biometrischer Kennzeichen (z.B. Fingerabdrücke) und der Verwendung dieser Kennzeichen in Ausweisen bzw. zur Identifikation gegenüber Behörden?

Neben der Tatsache, daß eine flächendeckende Erfassung von Fingerabdrücken und anderer biometrischer Kennzeichnen einen weiterer Schritt zum autoritären Überwachungsstaat bedeuten würde, den die KPÖ entschiedenst ablehnt, sprechen auch noch praktische Gründe gegen die Verwendung biometrischer Identifikationsverfahren: Geraten diese Daten in die falschen Hände wird damit das Verfahren wertlos: Man kann sich nicht einen neuen Fingerabdruck zulegen. Eine Chipkarte kann man wenigstens sperren und durch eine Neue ersetzen - seine Finger kann man nicht so leicht wechseln.


5. Frage: barrierefreier Zugang

Welche Maßnahmen sollten Ihrer Ansicht nach zur Sicherstellung des barrierefreien Zugangs - Benutzbarkeit für z.B. blinde und sehbehinderte Menschen - zu Internetauftritten und Anwendungen des e-Government unbedingt ergriffen werden? Welche Maßnahmen haben Sie bzw. Ihre Partei in diesem Bereich bisher konkret gesetzt? Ist Ihre Homepage bzw. die Homepage Ihrer Partei so gestaltet, dass sie auch für blinde und sehbehinderte Menschen problemlos benutzbar ist?

Behindertengerechte Websites sollten an und für sich eine Selbstverständlichkeit sein. Internetangebote sollten im übrigen generell nicht durch möglichst marktschreierische Multimediaeffekte sondern durch gute und strukturiert aufbereitete Inhalte glänzen. Solcherart gestaltete Seiten sind dann nicht nur leicht behindertengerecht zu machen sondern verringern auch die soziale Barriere: Der neuste Multimediaschnickschank funktioniert ja meist nur mit dem allerneusten Browser, der nur auf dem allerneuesten Computer läuft. Und jedes halbe Jahr einen neuen Computer zu kaufen können sich leider nicht alle leisten.

Die KPÖ Homepage selbst ist grundsätzlich mit textbasierten Browsern wie lynx oder w3m benutzbar und somit auch sehbehindeten Menschen zugänglich. An manchen Details sollte allerdings noch einiges verbessert werden.


6. Frage: dringliche Steuerungsmaßnahmen für den IT-Bereich

Welche Maßnahmen sollten Ihrer Ansicht nach in der kommenden Legislaturperiode in den Bereichen Internet, elektronische Datenverarbeitung, Privatsphäre, Cybercrime unbedingt gesetzt werden?

Im IT Bereich sollte der Einsatz von Freier Software gefördert werden. Ein erster wichtiger Schritt dafür wäre daß, im öffentlichen Bereich ausschließlich freie Software verwendet wird und daß man hier besonderes Augenmerk auf offene Standards legt. Eine wichtige Stellung hier haben auch Universitäten und Schulen. Software, die dort produziert und verwendet wird, sollte selbstverständlich frei und offen sein.

Ein extrem wichtiger Steuerungsfaktor sind in diesem Zusammenhang Patent- und Copyrightgesetzte. Information, ein Gut das ohne Kosten beliebig zum Wohle aller vervielfältigt werden kann, wird durch Gesetzte künstlich rar gemacht, um es im Kapitalismus als Wahre handeln zu können. Die Folge davon sind immer mächtiger werdende Medien-, Software- und Informationskonzerne. Wir fordern: Wissen und Information muss wieder der Allgemeinheit gehören.

Was den Bereich Privatsphäre anbelangt: In unser immer technischeren Welt hinterlassen wir von Handy bis zur Bankomatkarte zwangsläufig immer mehr digitale Spuren. Gesetze sollen hier soweit wie möglich schützen. Unvermeidlich bleibt jedoch, daß diese digitalen Spuren von uns Bürgern meist dennoch in den Händen von Banken und Konzernen landen. Um hier das immer drückender werdende Ungleichgewicht zwischen Menschen und Konzernen etwas auszugleichen, wäre es notwendig zu verlangen, daß diese Konzerne mehr Information über ihre Geschäfte offenlegen müssen. (Vereinfacht ausgedrückt: "Wenn ich es schon nicht verhindern kann, daß meine Bank Einblick in meine Kontobewegungen hat, dann will ich wenigstens sehen können was die Bank den so für dubiose Geschäfte treibt").


7. Frage: offene Standards / Open Source Software

Was ist Ihre Haltung zu offenen Standards und Schnittstellen in der EDV-Branche, insbesondere auch im Bezug auf eine transparente und bürgerfreundliche Verwaltung? Planen Sie, derartige Standards in der Verwaltung durchzusetzen? Haben Sie weiters vor, Open Source Software (OSS) in der Verwaltung, Schulen,... einzusetzen? Werden Sie generell die Benutzung und Entwicklung von OSS fördern oder einfordern?

Wie schon in der Antwort zu Frage 6 zu sehen: Die KPÖ sieht die Verwendung von freier Software ("open source software") als eines der wichtigsten Mittel, um die Dominanz der Megakonzerne im EDV- und Medienbereich zu brechen. Für uns Kommunisten ist freie Software wie Linux darüber hinaus ein schönes Beispiel, daß spielerische, altruisitische Arbeit bessere Ergebnisse produziert als kapitalistisches, egoistisches Gewinnstreben.

Die verpflichtende Verwendung von freier Software, die auf offenen Standards basiert, sollte gerade im öffentlichen Sektor eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist ein Skandal, daß mit unseren Steuergeldern private Softwarekonzerne gesponsert werden. Die Software, die wir alle bezahlen, sollte auch der Allgemeinheit gehören.

Ebenfalls sinnvoll wäre für uns eine Abgabe auf Kommerzielle Software, die zweckgebunden zur Förderung freier Softwareprojekte eingesetzt werden sollte. Mittelfristig würden wir alle damit viel Geld sparen, das jetzt in die Taschen von Bill Gates wandert.


8. Frage: Datenschutz / Privacy

Halten Sie die bestehenden Bestimmungen bezüglich Datenschutz und Schutz der Privatsphäre für ausreichend oder sehen Sie in diesem Bereich Bedarf für Veränderungen? Wird die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen im öffentlichen wie auch im privaten Sektor Ihrer Ansicht nach ausreichend überprüft?

In unser zunehmende technisierten Welt hinterlassen wir auch zunehmend mehr digitale Spuren. Um hier die Privatsphäre zu Schützen, wären bessere Gesetzte notwendig, die das Recht der Bürger vor die Interessen der Banken & Konzerne stellt. So können z.b. Organisationen wie der Kreditschutzverband noch immer unbehelligt ihr Unwesen treiben. Die Entwicklung, die dahin geht, daß man mit genügend Geld sich alle Informationen kaufen kann, halten wir für extrem bedenklich. Daten sollen entweder öffentlich sein und der Allgemeinheit unentgeltlich zugänglich sein oder privat und damit auch der Handel mit solchen Daten verboten sein.


9. Frage: e-card / Bürgerkarte

Welche Maßnahmen müssen Ihrer Ansicht nach im Zusammenhang mit der e-card und dem Konzept der Bürgerkarte gesetzt werden? In welchen Bereichen sollten solche Karten eingesetzt werden? Welche Rahmenbedingungen müssen Ihrer Ansicht nach für den Einsatz erfüllt sein? Sollte Ihrer Ansicht nach jeder Bürger verpflichtend mit einer Bürgerkarte ausgestattet werden?

Den Vorteilen an Bequemlichkeit, die eine Bürgerkarte bieten könnte, stehen auch Gefahren höherer Überwachbarkeit gegenüber. Eine intelligent designtes Konzept könnte aber in vielen Fällen auch zur Verbesserung der Anonymität und damit zum Schutz der Privatsphäre beitragen. Die Tatsache, daß die vom dafür beauftragten Institut "A-SIT" gestaltete Website mit Microsoft Frontpage gestaltet wurde und auf dem für seine Sicherheitsrisken bekannten Microsoft Information Server (IIS) basiert, lässt allerdings an der Kompetenz der Verantwortlichen zweifeln. Eine Bürgerkarte, die zur weiteren Verbreitung von Verschlüsselung dienlich sein könnte, sollte in jedem Falle auf freie und offene Standards setzten.

Eine verpflichtende Verwendung der Bürgerkarte lehnt die KPÖ in jedem Falle ab. Weiters muss gewährleistet sein, daß auch Migranten und Migrantinnen eine Bürgerkarte erhalten können und niemand ohne Bürgerkarte diskriminiert wird.

 

MfG
Franz Schäfer (IT und Sicherheitsexperte der KPÖ)
Walter Baier (KPÖ-Bundesvorsitzender)


[Fri, 01 Nov 2002 20:39:01 UT]   Didi Zach übermittelt GnuPG-signiert die Antworten von KPÖ-Bundesvorsitzenden Walter Baier und seinem IT-Experten Franz Schäfer.


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zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 11:07:48 CEST