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An das
Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst
Ballhausplatz 2
A - 1014 Wien           Wien, am 29.05.2002

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Rechts-Überleitungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2003 erlassen, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einzelne Bundesverfassungsgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen geändert oder aufgehoben werden

Sehr geehrte Damen und Herren!

Artikel 3 des gegenständlichen Entwurfes sieht die Erlassung eines Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 2003 vor. Für die bisherigen Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BGBlG 1996 (Zur-Verfügung-Stellung der für das Bundesgesetzblatt erstellten Daten an das Rechtsinformationssystem des Bundes [RIS]; Bereitstellung der vom Bund erstellten Daten des RIS und des Inhalts des Bundesgesetzblattes im Internet sowie Nichtauthentizität dieser Daten) ist im vorliegenden Entwurf keine Nachfolgeregelung vorgesehen. In den Erläuterungen zum Entwurf wird eine solche vielmehr ohne weitere Begründung als entbehrlich bezeichnet.

Dieser Darstellung kann sich VIBE!AT unter keinen Umständen anschließen!

Durch den Wegfall der Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BGBlG 1996 wäre die Versorgung des Rechtsinformationssystems des Bundes mit den Daten des Bundesgesetzblattes sowie der öffentliche unentgeltliche Zugang zum RIS über das Internet nicht mehr gesetzlich geregelt. Dies ist aufgrund der großen Bedeutung des RIS für die Bürgerinnen und Bürger abzulehnen.

Im Gegensatz zum Bundesgesetzblatt - dessen kostenfreie authentische Bereitstellung im Internet von VIBE!AT ausdrücklich begrüßt wird - ermöglicht das RIS dem Rechtsadressaten sich vom Inhalt der Normen, die für ihn verbindlich erlassen werden, auf einfache Art und Weise Kenntnis zu verschaffen, da im RIS die jeweils zu einem bestimmten Datum geltenden Fassungen der Normen abgerufen werden können, wohingegen im Bundesgesetzblatt lediglich die jeweiligen Änderungen der Normen nicht jedoch deren aus den Änderungen resultierende Volltexte verlautbart werden.

Der kostenfreie und möglichst einfache Zugang zu den Volltexten der geltenden Normen stellt die Grundlage für das gesetzmäßige Handeln der Bürgerinnen und Bürger dar. Durch die öffentliche Bereitstellung des RIS entstehen keine nennenswerten Kosten da das RIS ohnehin in weiten Teilen der Bundes- und der Länderverwaltungen Anwendung findet und der Datenbestand des RIS daher ohnedies gepflegt werden muss. Die öffentlich zugänglichen Teile des RIS stellen lediglich einen beschränkten "Ausschnitt" der nicht-öffentlichen Funktionalität dar.

Eine Beibehaltung der gesetzlichen Verankerung des kostenfreien öffentlichen Zugangs zum Rechtsinformationssystem des Bundes in Form einer Nachfolgeregelung für die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BGBlG 1996 im Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2003 hätte daher keinerlei nennenswerte finanzielle Auswirkungen.

Im Hinblick auf Transparenz und Bürgernähe könnte durch eine derartige Nachfolgeregelung jedoch der bisher erreichte hohe Standard weiterhin gesetzlich abgesichert werden, der den Bürgerinnen und Bürgern über das RIS nicht nur Zugang zu den Volltexten der Bundesgesetze sondern auch von Landesgesetzen sowie zu OGH-, VwGH-, VfGH-Entscheidungen, Durchführungserlässen und vielem mehr bietet.

Neben den bisher angeführten Vorteilen für alle Bürgerinnen und Bürger stellt das RIS vor allem für blinde und sehbehinderte Menschen eine wichtige Möglichkeit für den Zugang zu den erlassenen Normen dar. Es ermöglicht ihnen in einer für sie einfachen Art und Weise mit Braille-Lesegeräten und ähnlichen Hilfsmitteln auf diese zuzugreifen. Der Entfall der gesetzlichen Regelung des kostenfreien öffentlichen Zugangs zum RIS mit 1. Jänner 2003 würde nach Ansicht von VIBE!AT für diese Mitmenschen ein völlig falsches politisches Signal zum Auftakt des Europäischen Jahres der Behinderten 2003 darstellen.

Durch die Verbreitung des Internet bestehen heute erstmals nur geringe technische Barrieren um sich Kenntnis von den Rechtsvorschriften zu verschaffen, deren oft sehr umfangreicher Inhalt ohnedies bereits eine gewisse Zugangshürde darstellt. Der Entfall der gesetzlichen Regelung des RIS würde einen Rückschritt bezüglich Transparenz und Bürgernähe sowie Integration von behinderten Menschen darstellen und daher in krassem Widerspruch zu den Bemühungen im Rahmen der e-Government-Initiativen stehen.

Dem Präsidium des Nationalrates werden 25 Ausfertigungen und eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme übermittelt.


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zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 10:53:47 CEST