From: Gerald Pfeifer <Gerald.Pfeifer@vibe.at>
To: Gerhard Laga <gerhard@laga.at>
Date: Sat, 12 Aug 2000 14:27:57 +0200 (CEST)
Subject: Zum Thema Spam (in Österreich)

Guten Tag!

Zuerst einmal möchte ich mich für die reichlich späte Antwort entschuldigen. Wir hatten zwar besprochen, dass es etwas länger dauern könnte, aber eine derartige Verzögerung war definitiv nicht geplant (und ist bei uns auch nicht Usus).

LagaG@wkoe.wk.or.at wrote:
> Seit die neue Fassung des § 101 TKG in Geltung ist, hat sich die
> Situation für die Empfänger von Werbeemails (ich bin auch einer davon)
> aber nicht verbessert. Ich habe zwar noch keine einzige Werbemail aus
> Österreich bekommen, die aus dem Ausland nehmen aber zu.

Das würde für die Wirksamkeit von § 101 TKG sprechen! ;-) Ein Großteil von uns, wie auch ich selbst, sind auch aus Österreich nach wie vor mit unerwünschten/unangeforderten Zusendungen bedacht worden, allerdings scheint der Trend seit Verabschiedung der Novelle tatsächlich rückläufig.

Andererseits erhält selbst die Firma meines Vaters (Druckerei Peter Pfeifer), die im Netz kaum präsent ist, doch regelmäßig unerwünschte/ unangeforderte Werbemails, praktisch ausschließlich aus Österreich.

Dass Belästigungen aus dem Ausland in der Regel aber einen Großteil ausmachen, stimmt natürlich. Hier kommt es aber vermehrt zu gesetzlichen Regelungen ähnlich der österreichischen, und prinzipiell sollte der Gesetzgeber sich nicht notwendigerweise an jenen Staaten mit den schwächsten Regelungen orientieren. (Österreich legt auch in vielen anderen Fällen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen strengere Maßstäbe an, etwa im Bereich von NS-Wiederbetätigung, Kinderarbeit oder Umwelt- schutz.)

Konkrete Beispiele im internationalen Vergleich sind Italien oder Dänemark, wo die Gesetzeslage bereits der österreichischen ähnelt:

  Where a supplier sells goods, immovable or movable property
  or work or services to customers, he shall not be allowed to make calls
  to anybody using electronic mail, automated calling systems (automatic
  calling machines) or facsimile machines (fax) for the purposes of such
  selling unless the particular customer has made a prior request for such
  calls.

  [ Consolidated Act No. 699 of 17 July, 2000. The Danish Marketing
    Practices Act: 6 a.-(1)   http://www.fs.dk/uk/acts/ukmfl.txt ]
Die Stimmung in der EU geht mittlerweile stark Richtung opt-in, und Österreich ist hier keineswegs Einzelfall.

"Vier Mitgliedstaaten haben unerbetene kommerzielle E-Post bereits verboten, und ein weiterer wird das demnächst tun", so liest man etwa in einer konkrete Vorlage der Kommission, KOM(2000)385:

  Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
  über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privat-
  sphäre in der elektronischen Kommunikation":

  http://europa.eu.int/comm/information_society/policy/framework/pdf/com2000385_de.pdf

> Andererseits werden immer mehr Unternehmer "Opfer" dieser Regelung, die
> meines Erachtens in dieser generellen Formulierung verfassungsunsgwidrig
> und völlig unbestimmt ist (was ist eine Massenmail ?; Problem der
> Abgrenzung zwischen Information und Werbung).
Die Frage nach Massenmail wird aktuell von der Fernmeldebehörde analog zur Mindestmenge für portobegünstigte Massensendungen im Bereich der Briefpost gelöst. Das könnte eine sinnvolle Regelung sein, es wäre aber natürlich vorteilhaft derlei per Verordnung klar festzulegen.

> Was verstehe ich unter Opfer? Alleine an mich haben sich (verstärkt in
> den letzten Wochen) 5 Unternehmer gewandt, die wegen Infomails im
> Business 2 Business Bereich (!!) mit der strafbewehrten
> Unterlassungsklage eines Anwaltes bedroht sind. Entweder sie zahlen die
> Anwaltskosten (5.500 aufwärts) und unterfertigen eine beigefügte
> Unterlassungserklärung oder sie werden geklagt. Gerichtsanhängige Fälle
> sind mir ebenfalls bekannt.
Ich bin kein Jurist, aber ich sehe hier keinen Zusammenhang mit § 101 TKG.

Die von Ihnen angeführten Fälle fallen doch unter das Zivilrecht, während das TKG Verwaltungsrecht ist.

> Das Gesetz wirkt sich (wie bereits in meinem Aufsatz angedeutet) in der
> Praxis so aus, daß es Anwälten eine zusätzliche Einkommensquelle
> bereitet, die diesen so gut wie keinen Aufwand bereitet.
> (Unterlassungserklärungen sind Schimmelbriefe, wo man nur den Namen
> einsetzt)
Das ist dann aber ein generelles Problem unseres Rechtssystems, das in vielen anderen Situationen ebenfalls auftritt und wohl an der Wurzel bekämpft werden sollte, nicht an einer konkreten Auswirkung.

Wobei ich hier den Zusammenhang zwischen derlei zivilrechtlichen Abmahnungen und Anzeigen nach § 101 TKG nicht sehe; aber ich bin wie gesagt kein Jurist. Oder ist § 101 TKG eine Voraussetzung fuer einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch?

Wir sind jedenfalls sehr froh darüber, dass "Spamming" in Österreich vom Verwaltungsstrafrecht behandelt wird. Als Belästigter muss ich mich dadurch nicht auch noch einem Prozessrisiko aussetzen. Eine einfache Anzeige beim Fernmeldebüro genügt und dieses übernimmt dann die weitere Bearbeitung. Italienische oder deutsche User beneiden uns dafuer, obwohl in ihren Staaten ebenfalls ein Verbot von unangeforderter E-Mails herrscht.

> [interessante Diskussionsansätze] zB: Gibt es ein Recht auf negative
> Informationsfreiheit? (Soll es dem Sandler erlaubt sein, mich um 5
> Schilling anzuschnorren? Darf er versuchen, mir seinen "Augustin"
> aufzudrängen)).

Ein wesentlicher Punkt bei UBE/UCE ist das Verhältnis an Aufwand bzw. Kosten für den Sender bzw. den Empfänger, vor allem aber für den Sender pro Empfänger, und die Tatsache wie diese Kosten skalieren. Bei den obigen Beispielen wie auch unerwünschten/unangeforderten Zusendungen per Brief- post verhält es sich wesentlich anders als im Fall von UBE/UCE.

> Mir geht es darum, daß Unternehmer an andere Unternehmer Emails
> schicken dürfen und keine Angst haben müssen, eventuell geklagt zu
> werden.

Bei § 101 TKG handelt es sich nicht um Klagen sondern um Anzeigen. Ich sehe durchaus, welche Fälle Sie hier im Auge haben, allerdings besteht eine ähnliche Regelung für Fax ja schon länger, und diese hat (meines Wissens) kaum für Probleme gesorgt.

> Das Gesetz wird zum Hemmschuh des B2B-Ecommerce und trifft den
> eigentlichen Anlaß nicht.
Unter E-Commerce sehen wir primär etwas anderes als das Versenden von E-Mails an vermeintliche Kunden, aber ich gebe Ihnen recht, "man sollte IMO auch keine zu strengen Anforderungen an die konkludente Zustimmungs- erteilung legen, wenn die nur jederzeit widerrufbar ist", wie dies einer meiner Kollegen bei VIBE vor einiger Zeit einmal formuliert hat.

(Es ist übrigens keineswegs so, dass sich in unseren Reihen wirtschafts- ferne oder gar -feindliche Mitglieder tummeln. Ein nicht unerheblicher Teil von uns arbeitet selbständig oder in leitender Position, und auch diese Leute stehen klar hinter der aktuellen gesetzlichen Lage.)

> Ich finde es, wie Sie auch, keine seriöse Werbemethode Massenmails an
> alle Konsumenten loszulassen und rate davon in meiner Beratungstätigkeit
> auch immer dezitiert davon ab. Aber warum soll ein Unternehmen nicht an
> ein andere, die handverlesen sind, Werbung schicken dürfen?

Eine wesentliche Frage ist, was hier "handverlesen" meint. Die Tatsache, dass es hier scheinbar zu Beschwerden gekommen ist, deutet darauf hin, dass sich diverse Empfänger eben sehr wohl belästigt gefühlt haben.

Zählt eine spezifische Mail an ein einziges Unternehmen als Werbung?

> werbenden Unternehmen sind allesamt junge Kleinbetriebe, die neu in der
> Informationsbranche tätig sind (Übersetzungen, Schreibbüros, Dolmetsch)
> und eine EINZIGE Email an mehrere Unternehmer geschickt haben.

Wenn jedes derartige Startup einen bestimmten Unternehmer auch nur ein einziges Mal anschreibt, wie viele Mails ergibt dies in Summe?

Und wenn auch nur ein Prozent aller Unternehmen in Wien etwa diesen bestimmten Unternehmer anschreibt, wie viele Mails ergibt dies in Summe?

Das Problem ist wiederum eines der Skalierbarkeit.

> Deshalb sollte es meines Erachtens geändert werden.
> Es könnte zum Beispiel lauten "Die Zusendung einer elektronischen Post
> als Massensendung oder zu Werbezwecken AN KONSUMENTEN bedarf der
> vorherigen - jederzeit widerruflichen - Zustimmung des Empfängers."
>
> Was halten Sie von diesem Vorschlag?

In dieser Form sehe ich mehrere Probleme:

Zusammengefaßt sind wir sicher dafür, daß der Begriff "Massensendung" präzisiert wird, und auch durchaus für eine liberale Auslegung von Zustimmungserklärungen im B2B-Bereich, eine zu starke Reduktion des gegenwärtig starken Schutzes lehnen wir aber ab.

Mit freundlichen Grüßen,
Gerald Pfeifer (VIBE!AT)


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zuletzt aktualisiert: Sunday, 26-Mar-2006 10:23:08 CEST